Ernst Joseph Hermann       Abschied

von Münch   

1798 – 1841                                           Ein bittrer Schmerz wühlt mir in inn’rer Seele

                                                               Noch bittrer, da die Seele, ihn zu nennen

Nicht wagen darf, und meine Augen brennen,

Von ihm erregt, rastlos in ihrer Höhle.

 

Ich bebe, wenn ich Stunden, Tage zähle,

Denn Stunden, Tage drohen mich zu trennen;

Kaum kann ich mich in meinem Gram noch kennen,

Doch finster ruft das Schicksal: Trage! wähle!

 

So wähl’ ich denn, und trage meinen Schmerz

Als süß Vermächtnis in des Busens Grunde;

Ein schönes Traumbild wird mich fortbegleiten

 

Und heiligen die unstillbare wunde;

es spricht manch tröstend Wort ans waise Herz:

Leb wohl! – so lispelt’s noch. – Verstummt ihr Saiten!

 

 

 

 

 

Ernst Joseph Hermann       Vor einer Madonna Rafaels

von Münch   

1798 – 1841                                           Mit unnennbarer Wonne blickst du nieder,

O Liebliche, auf deinen zarten Sprossen;

               Du hältst ihn fest mit Mutterhand umschlossen,

Dein Lächeln glänzt in seinem Auge wieder.

 

Und höh’re Weih’ umstrahlt auch deine Glieder,

Ist doch der Geist des Herrn auf dich geflossen:

Auf Erden hast den Himmel du genossen

Und dich umschallten hier der Engel Lieder.

 

Im reinen Herz der Jungfrau hat gewohnet

Das Göttliche, und himmelwärts gewendet

Begehrten stets im Traum es deine Thränen.

 

Drum hat dein Gott dich überreich belohnet,

Als Mutter dir den eignen Sohn gespendet,

Und himmlisch süß dir aufgelöst dein Sehnen.